Studienergebnisse - Veröffentlichungen

Selbststigmatisierung, Emotionsregulation und nicht-normatives Essverhalten bei präbariatrischen Patienten

Zusammenfassung: 240 Teilnehmer der PRAC-Studie wurden vor ihrem adipositaschirurgischen Eingriff mittels Fragebogen zu Selbststigmatisierung, Emotionsregulation und zu ihrem Essverhalten befragt. Selbststigmatisierung ist dadurch gekennzeichnet, dass abwertende, gewichtsbezogene Vorurteile verinnerlicht und auf die eigene Person bezogen werden. Emotionsregulation hingegen beschreibt die Fähigkeit, die eigenen Emotionen zu beeinflussen und zu kontrollieren (z.B. hinsichtlich ihrer Intensität oder Dauer). Patienten mit einer hohen Selbststigmatisierung weisen ein erhöhtes Risiko auf, ein auffälliges Essverhalten zu entwickeln (z. B. Essen ohne Hunger oder Essen als Reaktion auf negative Emotionen), insbesondere dann, wenn sie Schwierigkeiten mit der Regulation ihrer Emotionen haben. Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung von Behandlungsangeboten zum Abbau der Selbststigmatisierung und zur Verbesserung der Emotionsregulationsfähigkeiten bei präbariatrischen Patienten.

Hintergrund: Menschen mit Übergewicht und Adipositas leiden häufig unter gewichtsbezogener Stigmatisierung, der Zuschreibung abwertender Eigenschaften aufgrund ihres Gewichts. Die Internalisierung dieses Adipositasstigmas führt bei einem Großteil der Betroffenen zu Selbststigmatisierung und ist mit einer erhöhten Psychopathologie, einem verringerten Selbstwert, sowie einer gesteigerten Essstörungspsychopathologie und nicht-normativem Essverhalten assoziiert. Darüber hinaus zeigten erste Studien einen Zusammenhang zwischen Emotionsregulation und nicht-normativen Essverhalten, allerdings wurden bisher kaum präbariatrische Patienten untersucht. Ziel dieser Studie ist es daher, die Zusammenhänge zwischen Selbststigmatisierung, Essstörungspsychopathologie und nicht-normativem Essverhalten (Nahrungsmittelabhängigkeit, Emotionales Essen, Essen in Abwesenheit von Hunger) sowie die Mediation dieser Zusammenhänge durch Emotionsregulation zu untersuchen.

Methode: In einer konsekutiven Stichprobe wurden bei 240 Patienten des Psychosozialen Registers der Adipositaschirurgie (PRAC) zum präoperativen Messzeitpunkt Selbststigmatisierung, Essstörungspsychopathologie, nicht-normatives Essverhalten und Emotionsregulation mittels Selbstbeurteilungsfragebogen erfasst. Die Mediation der Zusammenhänge durch Emotionsregulation wurde mit Strukturgleichungsmodellen untersucht.

Ergebnisse: Eine höhere Selbststigmatisierung prädizierte höhere Ausprägungen in der Essstörungspsychopathologie sowie mehr nicht-normatives Essverhalten. Die Zusammenhänge zwischen Selbststigmatisierung und nicht-normativem Essverhalten wurden durch Emotionsregulation vollständig (Emotionales Essen, Essen ohne Hunger) bzw. teilweise (Nahrungsmittelabhängigkeit) mediiert, nicht aber der Zusammenhang zwischen Selbststigmatisierung und Essstörungspsychopathologie.

Schlussfolgerungen: Präbariatrische Patienten mit hohen Ausprägungen von Selbststigmatisierung haben ein höheres Risiko, nicht-normatives Essverhalten zu entwickeln, insbesondere dann, wenn gleichzeitig Emotionsregulationsschwierigkeiten vorliegen. Damit unterstreichen diese Ergebnisse die Bedeutung von Interventionen zur Reduktion von Selbststigmatisierung und zur Verbesserung von Emotionsregulationsfähigkeiten für die Normalisierung des Essverhaltens in präbariatrischen Patienten.